Quelle: eltern.de |
Hamburg, Nieselregen, 5º Grad.
Ich lenke das große Auto durch enge, zugeparkte Einbahnstraßen auf der Suche nach einem Parkplatz.
Meine Mutter auf dem Beifahrersitz hält währenddessen Ausschau nach der richtigen Hausnummer. Baby Dronte schläft friedlich in seiner Sitzschale. Ein ganzes Stück die Straße runter können wir endlich das Auto abstellen – nur um dann durch den Regen ins Trockene zu flitzen.
Wir werden herzlich und von viel Gewusel empfangen. Namen prasseln von allen Seiten auf uns ein, es riecht nach Kaffee und dem getrockneten Sand auf Gummistiefeln – wir sind in einem Kindergarten.
Nachdem uns unsere Jacken abgenommen wurden, werden wir in einen Raum begleitet in dem ein Stuhlkreis aus Ministühlen (selbst für Kindergartenverhältnisse) und schon einige andere Eltern auf uns warten. Wieder werden Namen ausgetauscht, von uns selbst, den Kindern – danach eine Runde höfliches Anschweigen und Lächeln; es ist eben nicht ganz einfach zwanglos zu plaudern, wenn man sich überhaupt nicht kennt und zusätzlich nicht weiß, was da gleich auf Einen zu kommt.
Die letzten Plätze füllen sich – und Baby Dronte sucht sich genau diesen Moment aus, um seine Windel voll zu bratzen 🙂 Wir entschuldigen uns also kurz zum wickeln, wohl wissend dass leider alle auf uns warten und müssen auch gleich schon die erste Wechselgarnitur zum Einsatz bringen.
Nach unserer Rückkehr kann es dann endlich losgehen, mit der obligatorischen Vorstellungsrunde. Ich bin … und das ist unser Kind … unsere Erwartungen sind … Ich bin die einzige Alleinerziehende.
Danach wird die “Challenge” vorgestellt und während ich mich frage, ob wir wohl gleich wieder gehen müssen, wenn klar wird, dass wir all diese Punkte tagtäglich umsetzen kriegen einige der anderen Eltern große Augen bei der Ankündigung von Beistellbettchen und der Aussicht, 3 Wochen den Kinderwagen stehen zu lassen.
Um gar nicht erst große Panik aufkommen zu lassen werden schnell die angekündigten Tragehilfen ausgeteilt, wohl um den Kinderwagenschock etwas abzumildern. Und ich, ich wähne mich im siebten Himmel, als ich den gestempelten Aufdruck auf den Stoffbeuteln erspähe – Fräulein Hübsch. Wir bekommen tatsächlich alle einen legendären Fräulein Hübsch Mei Tai geschenkt! Und damit nicht genug – als nächstes landet ein Ring Sling der Firma Didymos auf meinem Schoß, dicht gefolgt von einem MaM Tragecover! Außerdem werden Beistellbettchen für diejenigen versprochen, die noch keines haben.
Wie Kinder unterm Weihnachtsbaum fangen wir alle an, die Beutel und Päckchen zu öffnen und besonders die Mei Tais zu bewundern, denn davon ist jeder ein Unikat und sie wurden zufällig zugeteilt. Die Ring Slings hingegen sind alle gleich: dunkelgrau auf der einen, silbergrau auf der anderen Seite, farblich dezent, irgendwie edel und laut Organisatoren-Team besonders für die Väter gedacht…
Das einfach Eltern Team beginnt sofort damit, den ersten Familien das korrekte Anlegen des Mai Teis zu erklären – alles Trageberaterinnen – während die Journalistin der Zeitschrift Eltern gleich als erstes auf mich zu steuert um unseren “Hintergrund” aufzunehmen. Das Gespräch ist relativ kurz, der Kameramann, der nebenbei noch vorgestellt wurde hält mal kurz drauf, und dann ist es auch schon wieder vorbei.
Ich merke, wir sind nicht ganz die Zielgruppe. Vermutlich wohl das, was hinterher dabei rauskommen könnte – aber da kann man dann eben nicht so von so großartigen Erfolgen berichten, als wenn eine Familie, die sonst jeden Abend stundenlang damit zubringt, dass Kind ins Bett zu bringen durch das Beistellbett und das in den Schlaf begleiten plötzlich merkt, dass Attachment Parenting eine super Sache ist 🙂
Wir bekommen dann auch Hilfe in Sachen Mei Tai, Baby Dronte schläft innerhalb von 2 Minuten ein und ich mache mich auf die Suche nach etwas Essbarem. Es gibt Mini-Burger und eine Art Mini-Törtchen? Ich weiß nicht genau, was es ist aber sie sind super lecker, mit einer Art Nusscreme und einer frischen Himbeere ganz oben drauf. Meine Mutter leistet mir Gesellschaft und ich komme mit einer unheimlich netten Australiererin ins Gespräch, die uns ganz begeistert erzählt, dass ihr Sohn – im Mei Tai vor Papa’s Bauch – jetzt schon länger schläft als sonst den ganzen Tag über. Ich kann es ihr nachempfinden, Baby Dronte war da ja zeitweise auch nicht ganz ohne.
Da taucht auch schon die Fotografin auf und nimmt uns mit, kurze Diskussion mit den Verantwortlichen – Fotos mit schlafenden Babies im Mei Tei, ja oder nein? Da mittlerweile fast alle Babies friedlich in den Tragehilfen schlummern und sich wohl jeder ausmalen kann, was passiert wenn diese jetzt aufgeweckt werden würden, wird kurzerhand beschlossen, dass die schlafenden Babies ja eigentlich auch eine super Werbung für’s Tragen im Allgemeinen sind und die Fotos dementsprechend zulässig 🙂
Während ich mich frage, wann denn jetzt wohl die Make-up-Tante mit den Pinseln und dem Rouge um die Ecke kommt (ich bin doch immer so blass) knipst die Fotografin schon munter los “nochmal drehen”, “so zur Seite gucken”, “Vielleicht nochmal ohne Brille?” frage ich, immernoch halb hoffend, dass das nur die Probeaufnahmen sind. Aber nein, da sind wir auch schon fertig.
Danach kehrt erstmal Ruhe ein. Die anderen Familien werden nach und nach interviewt, es werden weiter Fotos geschossen, man kommt mit dem wirklich netten(!) einfach Eltern-Team ins Gespräch. Die ersten Papa’s fangen an, die Beistellbetten zu den Autos zu tragen. Wir werden noch gefragt, ob wir uns vorstellen könnten, zu Hause besucht zu werden, möglichst mit Fotografin. Leider muss ich ablehnen – mitten im Umzug und mehr dort als da passt das blöderweise so gar nicht rein. Es soll noch ein Treffen zur Halbzeit geben, Terminabsprache per Internet, okay dann bis dann.
Vollbepackt bis oben hin, mit dem immer noch schlafenden Baby Dronte vorm Bauch verlassen wir den Mini-Kindergarten und treten die Heimreise durch den Regen an.
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Rezension: „Das Geheimnis zufriedener Babys“ von Nora Imlau - bedürfnis-orientiert.de
19. Februar 2017 at 11:51[…] habe Nora Imlau bei der „einfach Eltern“-Challenge kennen gelernt, sie war die Journalistin, die das Experiment begleitet und dokumentiert hat. Und […]